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Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen

05.09.2008 - Bereits im Dezember 2002 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch angenommen, durch das ein europäisches Mahnverfahren und Maßnahmen zur einfachen und schnellen Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert initiiert wurde. Mit Beginn des Jahres 2009 wird diese Verordnung in Kraft treten. Das Verfahren nach dieser Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt.

Mit 01.01.2009 tritt die Verordnung EG 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates in Kraft, mit der ein neues europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen eingeführt wird. Dieses Verfahren findet auf grenzüberschreitende Zivil- und Handelsstreitigkeiten Anwendung, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Einlangens bei Gericht EUR 2.000,00 nicht übersteigt. Es können daher sowohl Geldforderungen als auch Forderungen, die nicht auf Zahlung gerichtet sind, wie z.B. Lieferung von Waren, geltend gemacht werden.

Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind zivilrechtliche Streitigkeiten, soweit sie folgende Rechtssachen betreffen

  • den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen
  • die ehelichen Güterstände, das Unterhaltsrecht und das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts,
  • Konkurse, Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung zahlungsunfähiger Unternehmen oder anderer juristischer Personen, gerichtliche Vergleiche, Vergleiche (gemeint: Ausgleiche) und ähnliche Verfahren
  • die soziale Sicherheit,
  • die Schiedsgerichtsbarkeit,
  • das Arbeitsrecht,
  • die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen, mit der Gegenausnahme von Klagen wegen Geldforderungen, und
  • die Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verletzung der Ehre.

Die örtliche Zuständigkeit für dieses Verfahren richtet sich, nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Die sachliche Zuständigkeit liegt in Österreich aufgrund der Streitwertgrenze grundsätzlich bei den Bezirksgerichten.

In Abkehr von der österreichischen Tradition im Zivilverfahrensrecht wird der Grundsatz der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit aufgegeben und das Verfahren wird grundsätzlich nur schriftlich durchgeführt.

Die Verfahrenseinleitung erfolgt durch Einbringen des ausgefüllten Klageformblattes A beim zuständigen Gericht. In diesem Formblatt sind Einzelheiten zur Art der Forderung anzugeben und eventuelle Beweise anzufügen.

Innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Klageformulars wird eine Kopie desselben sowie das Antwortformblatt C der beklagten Partei zugestellt. Diese hat dann die Möglichkeit binnen 30 Tagen das ausgefüllte Antwortformblatt C sowie die geeigneten Unterlagen als Beweismittel an das Gericht zurückzusenden oder in anderer geeigneter Weise auf die Klage zu reagieren. Möchte die Beklagte Widerklage erheben, dann hat sie dies ebenfalls unter Verwendung des Klageformblattes A zu tun.

Innerhalb weiterer 14 Tage ist die Reaktion der beklagten Partei vom Gericht dem Kläger zuzustellen. Für den Fall einer erhobenen Widerklage hat der Kläger die Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen dazu Stellung zu nehmen.

Unterlässt es die Beklagte, das Antwortformular ausgefüllt zurückzusenden oder reagiert der Kläger nicht auf die Widerklage, so fällt das Gericht ein Urteil. Auch wenn ein Antwortschreiben einlangt, dem Gericht aber alle erforderlichen Unterlagen vorliegen ergeht innerhalb der nächsten 30 Tage ein Urteil.

Liegen nicht alle Entscheidungsgrundlagen vor, so werden die Parteien aufgefordert, weitere Angaben zu machen und im Bedarfsfall wird ein Beweisverfahren bzw. eine mündliche Verhandlung durchgeführt.  Eine mündliche Verhandlung wird es nur geben, wenn das Gericht eine solche für erforderlich hält. Die mündliche Verhandlung kann auch, falls dies technisch möglich ist, über eine Videokonferenz abgehalten werden.

Innerhalb von weiteren 30 Tagen nach der mündlichen Verhandlung bzw. nach Vorliegen sämtlicher Entscheidungsgrundlagen ergeht dann die Entscheidung. Das ergangene Urteil ist unabhängig eines möglichen Rechtsmittels vollstreckbar. Auf Antrag kann das zuständige Gericht allerdings das Vollstreckungsverfahren beschränken oder aussetzen.  Das ergangene Urteil wird in jedem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarkeitserklärung bzw. Anerkennung bedarf.

Ob ein Rechtsmittel zulässig ist und welche Fristen allenfalls zu beachten sind, hängt vom Recht des Mitgliedstaates ab, in dem das Verfahren geführt wird. Dem Ministerialentwurf zur Zivilverfahrens-Novelle 2008 folgend soll für Österreich eine Rechtsmittelbefugnis vorgesehen werden.

Der Anspruch auf Kostenersatz richtet sich nach dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren durchgeführt wird. Die Kosten des Verfahrens werden der unterlegenen Partei auferlegt, wobei die Festsetzung gemäß den einzelstaatlichen Regelungen erfolgt. Vermeidbare oder unverhältnismäßige Kosten sind jedoch nicht von der unterlegenen Partei zu tragen.

IA


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