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Lauterkeitsrecht

10.08.2005 - Das Nebenrecht eines Gewerbes darf nur ausgeübt werden, wenn auch das Gewerbe betrieben wird, aus dem es abgeleitet wird (OGH, Beschluss vom 24.5.2004, 4 Ob 21/05z)

Beide Parteien des Ausgangsrechtsstreits übernehmen zu entwickelnde Filme und Datenträger, die ihnen ihre Kunden in Auftragstaschen per Post zuschicken, leiten die Filme und Datenträger an den Ausarbeiter weiter und schicken die fertigen Fotos dann wiederum per Post an die Kunden.
Im Gegensatz zur Klägerin verfügt die Beklagte nur über eine Gewerbeberechtigung für „Handelsgewerbe und Handelsagenten mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe", nicht jedoch über eine solche nach § 94 Z 20 GewO für das reglementierte Gewerbe der „Fotografen".
Der Geschäftsführer der Beklagten rief im Jänner 2004 bei der Wirtschaftskammer an und legte ihr die von der Beklagten geplante Tätigkeit dar. Daraufhin teilte ihm die Wirtschaftskammer mit Schreiben vom 29. Jänner 2004 mit, für die Tätigkeit der Ausübung des Anbietens von Fotoausarbeitung über den Versandhandel sei die Gewerbeberechtigung des freien Gewerbes „Handelsgewerbe und Handelsagent mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe" erforderlich; hiebei müsse sich aber in der Werbung widerspiegeln, dass es sich um den Fotoversandhandel handle.
Die Klägerin begehrt der Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die gewerbsmäßige Ausarbeitung von Filmen und digitalen Daten zu Fotos auszuüben, wenn sie nicht über die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung eines Fotografen gemäß § 94 Z 20 GewO verfügt.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie betreibe einen Fotoversandhandel, wobei die Filme und Datenträger von ihr an eine Konzerngesellschaft zur Ausarbeitung weitergeleitet würden. Eine Gewerbeberechtigung gemäß § 94 Z 20 GewO sei für diese Tätigkeit nicht erforderlich, was der Beklagten auch von der Wirtschaftskammer bestätigt worden sei. Jedenfalls habe sie auf Grund dieser Bestätigung davon ausgehen können. Sittenwidriges Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs könne ihr damit keinesfalls unterstellt werden.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe auf die Richtigkeit der Auskunft der Wirtschaftskammer vertrauen dürfen. Diese habe ihrem eigenen Rechtsstandpunkt entsprochen, eine Gewerbeberechtigung gemäß § 94 Z 20 GewO nicht zu benötigen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige; der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Dem Rekursgericht ist beizupflichten, dass es für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die Gewerbeordnung vorliegt, nicht darauf ankommt, welchen Eindruck ein Verhalten erweckt, sondern maßgebend ist, ob die bewilligungspflichtige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (4 Ob 97/89 = ÖBl 1990, 16 - GRAN CANARIA; 4 Ob 30/91 = ÖBl 1991, 84 - GLÜCKSSCHLÜSSEL; 4 Ob 189/01z). Dass das Ausarbeiten von Fotos eine dem Fotografengewerbe nach § 94 Z 20 GewO vorbehaltene Tätigkeit ist, zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Sie meint jedoch, diese Tätigkeit nicht auszuüben, da sie einen „Fotoversandhandel" betreibe. Über die dafür notwendige Gewerbeberechtigung des freien Gewerbes „Handelsgewerbe und Handelsagenten mit Ausnahme des reglementierten Handelsgewerbes" verfüge sie.
Nach Ansicht des OGH ist die Tätigkeit der Beklagten nicht auf den Warenaustausch, sondern auf eine Dienstleistung, nämlich die des Entwickelns von Filmen und Ausarbeitens von Fotos, gerichtet. Sie betreibt daher auch keinen „Fotoversandhandel", sondern übernimmt es im Versandweg, Filme (und andere Datenträger) entwickeln und ausarbeiten zu lassen.
Zum Einwand der Beklagten als Inhaberin des allgemeinen Handelsgewerbes berechtigt zu sein, mit Fotoartikeln zu handeln und/oder unabhängig davon die Ausarbeitung von Aufnahmen anzubieten, sofern sie sich zur Durchführung befugter Gewerbetreibender bedient, stellte das Höchstgericht fest, dass die Beklagte gar nicht behauptet, tatsächlich mit Waren zu handeln, weshalb sich die Frage stelle, ob der Inhaber eines Gewerbes eine Nebentätigkeit dieses Gewerbes ausüben darf, wenn er das Gewerbe selbst gar nicht ausübt.
§ 32 Abs 2 GewO 1994 idF der GewRNov 2002 normiert als allgemeine Schranke, die eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Nebenrechte verhindern soll, dass bei deren Ausübung der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebs erhalten bleiben müssen.
Damit darf ein Gewerbetreibender nicht im Weg der Ausübung eines oder mehrerer Nebenrechte den wirtschaftlichen Schwerpunkt seiner hauptberuflich ausgeübten gewerblichen Tätigkeit verschieben und damit die Eigenart seines ursprünglichen Betriebs verändern. Der OGH kommt daher zu dem Schluss, dass ein Nebenrecht nur ausgeübt werden darf, wenn auch das Gewerbe betrieben wird, aus dem es abgeleitet wird, weil andernfalls gewerberechtliche Vorschriften leicht umgangen werden könnten.

Entscheidung im Volltext


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